„Der Letzte Enkel“ Schauspiel Köln

Der Letzte Enkel
eine Stückentwicklung von Matthias Köhler

Schauspiel Köln, Depot 2
Premiere 2.6.2016

 

Syrer, Afghanen, Iraker, Eritreer oder Staatenlose – Menschen auf der Flucht sind derzeit viel im Gespräch, werden diskutiert und erregen – nicht nur politische – Gemüter. Es ist aber gar nicht lange her, da mussten sich auch unsere Großeltern auf den Weg machen ins Ungewisse. Was bedeutet es, Angst zu haben vor dem, was hinter uns liegt? Nicht zu wissen, was uns erwartet? Abhängig zu sein von dem Wohlwollen anderer?

DER LETZTE ENKEL stellt Fragen nach dem, was allen Flüchtenden gemein ist. Hakt auch mal nach, wenn es um die ganz persönliche Geschichte der DarstellerInnen geht. Frech, humorvoll und mit einem Hang zum Absurden sucht dieser Abend nach Fragen zu einem Thema, das uns alle betrifft – und sei es in der dritten Generation.

 

Besetzung

Wolfgang Mario Betz, Jane Dunker, Uta Gärtel, Anne Kaute, Agatha Klewer, Barbara Krömer, Marilene Mostert, Elisabeth Mick, Gisela Pflughaupt, Wolfgang Günther, Ingrid Ruth Plewe, Helga Scharpenberg, Lily Schumacher, Maria Schneider, Ina Seiffert, Gabriele Seiler-Seidler, Horst Sommerfeld, Wolfgang Wewer, Dieter Zenses, Edith Oepen

Regie: Matthias Köhler
Dramaturgie: Michaela Kretschmann
Bühne: Thomas Garvie
Kostüme: Oscar Sahlieh
Musik: Philipp Pleßmann
Bewegungschoreografie: Sabina Perry

 

Pressestimme

„Nach 1945 nahm die (spätere) Bundesrepublik über sechs Millionen Ostvertriebene auf, bis 1989 drei Millionen DDR-Flüchtlinge. Angesichts der jetzigen „Flüchtlingsflut“ ist das Theaterstück „Der letzte Enkel“ im Schauspiel von bedrückender Aktualität: Es zeigt das Leid der damals Betroffenen.
14 Laienschauspielerinnen und 5 Laienschauspieler stehen auf der Bühne, alle älter als 60 Jahre, bilden sie das „Oldschool“-Ensemble des Kölner Schauspiels. Aus ihren persönlichen Erlebnissen und Familienüberlieferungen wurde der Text zusammengestellt. Erzählt wird von der überstürzten Flucht über das zugefrorene Frische Haff, vom „Glück“, nicht mehr auf die später von sowjetischen Torpedos versenkte „Wilhelm Gustloff“ gekommen zu sein, von den Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten, von Kontrollen der Stasi. Und trotzdem: Den Humor haben sie nicht verloren.

Außer auf eindringliche Worte und Lieder setzt Regisseur Matthias Köhler auf eindrucksvolle symbolgeladene Bilder. Da quellen aus 13 Umkleidekabinen, die die Bühne nach hinten abschließen, die Schauspieler hervor – und wenn einer wieder darin Schutz suchen will, bleibt der Vorhang verschlossen. Mit klappernden Stühlen suchen die Ensemblemitglieder minutenlang einen neuen Platz – bis die Stühle wie weggeworfene Hoffnungen auf eine neue Heimat auf einem Haufen landen. Rasenbahnen werden ausgerollt und scheinen die neue Heimat zu bieten. Und immer wieder bewegen sich die 19 ruhelos von einer Seite der Bühne auf die andere, zögernd die einen, hastig die anderen. Was die Gelegenheit gibt, anhand der zurückgelegten Strecke zu berechnen, wie lange damals die Flucht von Königsberg nach Danzig und heute von Idomeni nach Berlin dauert.

Diese Massenszenen laufen mit einer bewundernswerten Perfektion ab. Dies und die Coolness, mit der alles vorgetragen wird, machen „Der letzte Enkel“ zu einem Lehrstück, dem allerdings bisweilen die persönliche Wärme und Betroffenheit fehlt. Trotzdem: Es sind 80 bemerkenswerte Minuten.

Der Titel des Stückes zielt auf die dritte Generation, bis zu der sich die lange tabuisierten Traumata der Kriegsflüchtlinge in einer Familie vererben. Wenn die persönlichen Erfahrungen bis dahin nicht weitergegeben worden sind, werden sie vergessen – ein Verlust für die ganze Gesellschaft, nicht nur für die betroffenenen Familien. Dieses Stück ist ein wichtiges Antidot.“

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